Aktionswoche "Zuhause Daheim"
Kirche vor dem Sonntagshorn in Ruhpolding
© © Ruhpolding Tourismus/Andreas Plenk

12.04.2022

Die Grund- und Mittelschule Ruhpolding richtet als erste im Landkreis „Willkommensklassen“ ein

 

Es kann losgehen. Die Grund- und Mittelschule in Ruhpolding hat sich in den letzten Wochen gut vorbereitet und zwei „Willkommensklassen“ für ukrainische geflüchtete Kinder eingerichtet. Die Kinder sind aus Ruhpolding und aus Inzell. In einer Klasse sind etwa zehn Mädchen und Jungen im Grundschulalter. In der zweiten Gruppe für die älteren Kinder lernen aktuell etwa 17 Kinder. Die Schülerzahlen ändern sich täglich. Hauptsächlich weil es immer mehr werden, aber auch, weil noch nicht alle Kinder, die angemeldet sind, gekommen sind und noch etwas Zeit benötigen.

Die Schulleitung hat sich ganz bewusst für „Willkommensklassen“ entschieden. Demgegenüber steht die Meinung, eine sofortige Verteilung in Regeklassen sei besser, um eine schnellstmögliche Integration zu fördern. Schulleiterin Josephine Brunnhuber sieht das anders. „Die Kinder sind von heute auf morgen in ein fremdes Land gekommen. Es tut ihnen gut, erst einmal anzukommen und unter ihresgleichen sich an die neue Umgebung zu gewöhnen. Für den Erwerb der deutschen Sprache ist es ebenso von Vorteil, sich in einem gemeinsamen Tempo heranzutasten anstatt dem Druck ausgesetzt zu sein, schnell mithalten zu müssen“, so Brunnhuber. Es gibt aber auch Ausnahmen. Einige sind schon so gefestigt, dass diese Kinder bereits in der Regelklasse integriert sind.

Der Unterricht der „Willkommensklassen“ findet zunächst täglich von 8.00 bis 11.15 Uhr statt. Nach den Osterferien sollen die Unterrichtszeiten ausgeweitet werden. Hauptsächlich wird in diesen Klassen Deutsch unterrichtet. Einige Aktionen finden bereits gemeinsam mit den Regelklassen statt. Darüber hinaus stehen mehrmals wöchentlich Zusatzangebote auf dem Stundenplan: Bundesfreiwilligendienstleistende Sophia Haitzer macht mit den Kindern Rhythmisierungseinheiten (Singen mit Bewegung usw.), Benedikt Schmid vom SV Ruhpolding setzt auf zusätzliche Sporteinheiten und Sozialpädagoge Sebastian Brandl kümmert sich um die individuelle Förderung der Kinder.

Ziel ist es, bis zum Schuljahresende verstärkt auf „Willkommensklassen“ zu setzen und diese stunden- bzw. fächerweise mit den Regelklassen zusammenzuführen. Wenn alles gut läuft, steht im neuen Schuljahr einem Wechsel in eine Regelklasse nichts mehr im Wege. Josephine Brunnhuber ist es aber dennoch wichtig, auch für die Zeit nach dem Wechsel Unterstützung in Form von Deutschkursen beizubehalten, solange sie es brauchen.

Und wer sind eigentlich die Lehrer, die die Kinder in den „Willkommensklassen“ unterrichten?
Nadja Delova unterrichtet die Gruppe mit den älteren Kindern. Sie ist schon länger an der Schule in Ruhpolding tätig, lange bevor der Krieg anfing. Sie unterrichtet als Zusatzangebot Deutsch für Ausländer (DaZ) für Kinder, die Unterstützung in der deutschen Sprache benötigen. Das war ein Segen für die Schule, als die ersten Geflüchteten nach Ruhpolding gekommen sind und man sich erste Gedanken über die zu erwartenden Kinder gemacht hat. Um die jüngeren Kinder kümmert sich Hanna Lytvyn. Hanna ist selbst mit ihrer Tochter gleich zu Beginn des Krieges geflüchtet. Nachdem sie in Ruhpolding gelandet war und erfuhr, dass in der Schule eine Deutschlehrerin gesucht wird, hat sie nicht lange gezögert. Ihre guten Deutschkenntnisse erlangte sie während ihres Studiums (Deutsche Philologie und Erziehungswissenschaft) in Berlin. Ihre Tochter besucht ebenfalls die „Willkommensklasse“. Sie ist sehr glücklich und dankbar, dass sie in dieser schweren Zeit etwas Sinnvolles tun kann.

Josephine Brunnhuber ist auch sehr glücklich und dankbar, dass sie zwei wundervolle Lehrkräfte für die geflüchteten Kinder hat. Und auch gab es Momente des Zweifels: „Ich habe mich zwischendurch gefragt, warum tue ich mir das an?“ Die Herausforderungen nach zwei Jahren Pandemie sind noch nicht überstanden. Die Ukraine-Krise im Hinblick auf die Flüchtlingswelle mit all ihren Konsequenzen womöglich erst am Anfang. „Aber das Herz hat eindeutig gesiegt. Ich möchte den Kindern eine unbeschwerte Zeit so gut es geht ermöglichen“, erzählt Brunnhuber, „und ohne die Hilfe des gesamten Schulteams, das flexibel agiert und den Mehraufwand auffängt, des SV Ruhpolding mit dem Spendenlauf und des örtlichen Helferkreises für die Ukraine, der die Schulsachen gespendet hat, wäre es gar nicht möglich gewesen,“ fährt die Schulleiterin fort.
Bürgermeister Justus Pfeifer freut sich, dass der Start der „Willkommensklassen“ super geklappt hat. "Im Namen der Gemeinde einen großen Dank für das enorme Engagement unserer Grund- und Mittelschule. Es macht Mut und Hoffnung, dass wir gemeinsam die Krise bewältigen können. Alles, was den Geflüchteten jetzt in dieser schwierigen Situation Halt bietet, ist eine große Hilfe“, dankt Bürgermeister dem gesamten Schulteam und allen Spendern.

Die Kinder sind erstaunlich lernwillig, lachen viel und finden schnell Anschluss zu den anderen Kindern. Das sind wunderbare Voraussetzungen für ein vielleicht neues Leben in Deutschland – oder wenigstens für einen gewissen Zeitabschnitt, wenn sie irgendwann wieder nach Hause können. Aber noch weiß keiner, wie lange diese Situation andauert und so macht die Ruhpoldinger Schule das Beste daraus und das mit vollem Herzen.